Die inzwischen dritte Windenergie-Exkursion des Bündnisses Windpark Winterstein führte am 29. Mai 2022 zu den drei Windrädern bei Bruchenbrücken. Per Rad oder zu Fuß kamen ca. 80 Personen von Friedberg, Bruchenbrücken, Wöllstadt und Rosbach zur Information und um einen Blick in den Turm des Windrades zu werfen. Nach der Begrüßung durch Bürgermeister Dirk Antkowiak und Bündnissprecher Hans-Dieter Wagner, stellten Projektleiter Grundl und Betriebsleiter Waldmann des Betreibers EnBW, die eigens aus Stuttgart angereist waren, die Anlagen vor.
Die 3 Windräder vom Typ Vestas V 90 haben einen Rotordurchmesser von 90 m und eine Nabenhöhe von ca. 95 m. Ihre Nennleistung beträgt 2 MW, was im Vergleich zu heutigen Anlagen noch relativ wenig ist. Trotzdem erzeugt nur eine Anlage so viel Strom, wie ca. 725 Haushalte mit 4 Personen (bei ca. 4600 kWh) verbrauchen.
Der Fraktionsvorsitzende der Linken, Sven Weiberg, schilderte in einem kurzen Rückblick, dass schon seit etwa 2005 um die Windräder gerungen wurde. Zu dieser Zeit waren noch fast alle dagegen und es hatte sich eine Bürgerinitiative gegen die Windräder gegründet. Lange Zeit versuchten auch die Kommunen Ober-Wöllstadt und Friedberg mit Klagen und Veränderungssperren die Anlagen zu verhindern. Alle Einwände entpuppten sich jedoch als unhaltbar und wurden entsprechend von den Gerichten abgewiesen, so dass 2011 die Firma ABO Wind endlich bauen konnte.
Die kurze Historie machte auch deutlich, dass die Windenergie in den letzten 15 Jahren in unserer Region eindeutig mehr Akzeptanz gewonnen hat.
Da sich etwas östlich der bestehenden Anlagen ein kleines, schmales Windvorranggebiet befindet, plant der neue Eigentümer EnBW zwei weitere, deutlich leistungsfähigere Anlagen. Eine etwas nordöstlich gelegene Anlage, z.B. Typ V 162 mit 162 m Rotordurchmesser und einer Nabenhöhe von ca. 170 m und eine südlich gelegene Anlage mit einem Rotordurchmesser von 132 m. Durch die Weiterentwicklung der Technik und die größere Höhe werden sie deutlich leistungsfähiger sein. Pro Höhenmeter ist mit einem Ertragsgewinn von ca. 0,5 – 1 % zu rechnen. Die Anlagen werden eine Nennleistung von ca. 6 MW und 4 – 4,5 MW haben. Allein das größere Windrad produziert damit so viel Strom wie alle drei derzeit bestehenden. Der komplette Windpark wird zusammen mehr Strom erzeugen als ganz Friedberg verbraucht. Das ist durchaus ein passabler Beitrag zur Energiewende.
Die Teilnehmenden stellten zahlreiche Fragen, z.B. zu Abschaltregelungen, zum Rückbau nach Ablauf der Betriebszeit, zum Standort der neuen Anlagen oder zum Baubeginn. Herr Grundl von EnBW konnte jedoch zu Letzterem noch keine zuverlässige Aussage treffen, denn noch sind Fragen mit der Deutschen Flugsicherung im Zusammenhang mit dem Drehfunkfeuer in Erbstadt zu klären, die allerdings spätestens durch die geplante Umstellung auf Digitaltechnik entfallen werden. Deshalb kann er weder einen Zeitpunkt für den Baubeginn noch exakte Details zur Projektierung sagen, die sich im Genehmigungsverfahren auch noch ändern können.
Der Friedberger Ulrich Dörper, der häufig im Bereich der Windräder sportlich unterwegs ist, befragte die Landwirte Lebeau und Friedewald von den Aussiedlerhöfen im Görbelheimer Grund, die nur 600 –700 m entfernt liegen, welche Erfahrungen sie mit den Windrädern in ihrer unmittelbaren Umgebung machen. Beide Landwirte können keine Beeinträchtigungen durch Schall oder Schattenwurf beobachten. Den Bau der Windräder, der reibungslos und ohne Störungen von statten ging, erlebten sie eher als eine Attraktion. Die geschotterte Zufahrt und der Kranstellplatz am Windrad sind für ihre landwirtschaftlichen Maschinen sogar von Vorteil. Die Frage nach Vogelschlag wurde ganz lapidar beantwortet: „ Kein Vogel ist so blöd und fliegt gegen das Windrad.“ Sie hätten jedenfalls noch keine toten Vögel gefunden. Beeinträchtigungen gibt es für diejenigen, die in unmittelbarer Nähe leben, offenbar keine, aber sie fühlen sich nicht immer rechtzeitig und umfassend von Stadt und Unternehmen informiert. So vermissen sie auch jetzt genauere Aussagen zu den aktuellen Planungen. Herr Grundl sagt Informationen über den Planungsstand zu, sobald es konkretere Entwicklungen gibt.
Auch das zukünftige Großprojekt Windpark Winterstein spielte bei dem Treffen eine große Rolle. Bürgermeister Antkowiak verwies auf die breite Mehrheit in den Parlamenten der Anrainerkommunen, die dem Windpark in der „Absichtserklärung“ zugestimmt haben. Er betonte auch, dass alle an einem gemeinsamen Windparklayout mit einer bestmöglichen Anzahl an Windrädern interessiert sind. Ihm sei die direkte Beteiligung der Kommunen und Bürger*innen mit eigenen Anlagen ein großes Anliegen, weshalb sich die Kommunen auch nicht dem bereits in Kürze erfolgenden Ausschreibungsverfahren von Hessenforst angeschlossen hätten, sondern nach der Sommerpause eine eigene Ausschreibung planen, bei der Beteiligungskonzepte eine größere Rolle spielen sollen.
Johannes Contag, Stadtratsmitglied der Grünen, begrüßte gemeinsam mit Bündnissprecher Diethardt Stamm, dass jetzt auf dem Winterstein ein großer gemeinsamer Windpark entstehen soll und dass die Positionen von Stadt und Bündnis Windpark Winterstein hierbei viele Gemeinsamkeiten aufweisen.
Stamm kritisierte aber auch deutlich, dass Hessenforst jetzt umgehend – quasi im Alleingang – seine Flächen ausschreiben will, was im Grunde dem in der Absichtserklärung beschlossenen, gemeinsamen Vorgehen widerspräche.
Dass in Hessen der Ausbau der Windenergie stockt und 2022 bisher gerade einmal ein Windrad errichtet wurde, führt Stamm u. a. auch auf Hessenforst zurück. Hessenforst erwarte Pachtgebühren von über 200.000 € je Windrad und außerdem noch eine 20%ige Umsatzbeteiligung. Dadurch werde eine Beteiligung der Bevölkerung weitgehend ausgehebelt. Er appellierte an die Landesregierung, das Ausschreibungs- und Vergabeverfahren zu ändern, um die Beteiligung von Kommunen und Bürger*innen zu stärken. Er untermauerte diese Kritik mit Zitaten aus einer großen aktuellen Anfrage der SPD an die Landesregierung.
Auch Dr. Werner Neumann, Bündnissprecher und Kreisvorsitzender des BUND Wetterau, betonte die zentrale Bedeutung der Bürgerbeteiligung: „Strom der hier produziert wird, soll auch mit den Menschen verbunden sein.“ Die Region, die Kommunen und die Bürger sollen sich finanziell beteiligen können. Dazu gäbe es viele Möglichkeiten, z.B. Zuwendungen an die Kommunen nach dem EEG, aber auch verbilligten Strom für die Anwohner. (Das Bündnis wird sich hierzu noch ausführlicher äußern.) Neumann verwies darauf, dass nach der Europäischen Union „Erneuerbare Energiegemeinschaften“ möglich sein sollen, in denen gemeinsam Strom erzeugt, vertrieben und verbraucht wird. Er ist überzeugt, dass die Beteiligung der Bürger*innen Voraussetzung und Erfolgsrezept für die Umsetzung der Energiewende ist.
Da bei diesem Treffen auch wieder die Frage nach der Anzahl möglicher Windräder auf dem Winterstein gestellt wurde, veröffentlichen wir hier mit Vorbehalt ein vom Bündnis entworfenes, fiktives Windpark-Layout. Selbstverständlich ist ein solcher Windpark von erfahrenen Projektierern nach umfangreichen Untersuchungen zu entwickeln und wird am Ende des Prozesses sicher anders aussehen. Wir veröffentlichen unseren internen Entwurf dennoch, weil in der Öffentlichkeit ein großes Bedürfnis nach Informationen besteht und selbst in der Presse oft noch ältere, lange überholte Überlegungen verbreitet werden. Der Entwurf soll eine grobe Orientierung über das Windvorranggebiet Winterstein bieten und zur Diskussion in diesem offenen Prozess beitragen.
Einige zentrale Forderungen des Bündnisses Windpark Winterstein wurden auch bei dieser Exkursion sichtbar: Wir erwarten einen maximal möglichen Beitrag zum Klimaschutz durch einen energetisch optimierten Windpark. Dieser Windpark soll mit Windrädern neuester Bauart einen größtmöglichen Ertrag erzielen und gemeinsam projektiert und betrieben werden. Der Windpark soll auch der regionalen Wertschöpfung dienen, denn nach unserer Überzeugung sollen diejenigen, die im Umkreis um einen Windpark leben, auch einen unmittelbaren Nutzen von ihm haben. Wesentlich für Akzeptanz und Mitwirkung, das zeigte sich auch erneut bei dieser Veranstaltung, ist die frühzeitige Einbindung und aktive Beteiligung der Bevölkerung. Dann werden sich hoffentlich in einigen Jahren Bürgerwindräder mit den wohlklingenden Namen „Die flotte Frida“ oder „Der fixe Fritz“ auf dem Winterstein drehen und sauberen Strom für uns produzieren.