Gerne hätten wir uns anlässlich unseres Gründungstages vor elf Jahren mit Glühwein auf der „Kleinen Freiheit“ getroffen, um über Atom-, Kohleausstieg, Energiewende, Windpark Winterstein und die Rettung der Welt zu reden. Gerne hätten wir uns auch bei allen bedankt, die schon seit vielen Jahren gemeinsam mit uns für diese Ziele eintreten. Aufgrund der anhaltenden Corona-Pandemie müssen wir allerdings auf eine Zusammenkunft und einen Infostand verzichten. Ersatzweise hier einige Anmerkungen zum 11. Jahrestag:
Die Empörung über die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke, die im Herbst 2010 von der damaligen schwarz-gelben Bundesregierung beschlossen worden war, trieb einige von uns im Dezember 2010 ins Schneegestöber auf die Friedberger „Kleine Freiheit“, um gegen diese Rolle rückwärts zu protestieren (vgl. Archiv Dez 2010). Die Anti-Atom-Bewegung formierte sich neu und trug nach der Fukushima-Katastrophe 2011 erheblich zum Ausstiegsbeschluss aus der Atomkraft bei. Nach dem Fukushima-Jahr 2011 wurden allerdings erst drei Atomkraftwerke vom Netz genommen und drei weitere folgen Ende dieses Jahres. Das endgültige Aus für die Atomkraft in Deutschland kommt mit dem Abschalten der letzten drei Kraftwerke Ende 2022 (vgl. unser Info Atomkraftwerke in Deutschland).
Das ist ein Teilerfolg, aber der Ausstieg aus der Atomkraft muss weltweit erfolgen und die zivile und militärische Nutzung umfassen. Frankreich setzt im Gegensatz zu Deutschland verstärkt auf Atomenergie. Lobbyisten und durchaus renommierte Medien arbeiten daran, das schöne Märchen vom smarten, ungefährlichen Mini-Atomkraftwerk – geeignet quasi für den Vorgarten – zu verbreiten, um erneut den gesellschaftlichen Konsens für den Atomausstieg zu durchlöchern. Bei dem nur langsam voranschreitenden Ausbau der Erneuerbaren und einem wachsenden Strombedarf könnte der Druck von dieser Seite wachsen. Aufklärungsarbeit bleibt also weiterhin nötig.
Die Problematik der Klimaerhitzung ist inzwischen in den Köpfen der Menschen angekommen und es wird oft in Politik, Talkshows und an Stammtischen darüber geredet. Aber es wird nur wenig und halbherzig gehandelt, was Fridays for Future zu Recht anprangert. Auch von der 26. Weltklimakonferenz hatten sich besonders die Länder des globalen Südens mehr erhofft. Unsere neue Bundesregierung, die bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages von der FDP eine „Regierung der Mitte“ genannt wurde, wird vermutlich nur in eingeschränkter Weise den „Fortschritt wagen“. Jedoch sind in einige wichtige Schlüsselstellungen Personen gerückt, die glaubwürdig für Veränderungen stehen. Das lässt verhaltene Hoffnung aufkommen. Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, die erneuerbaren Energien bis 2030 auf 80% zu steigern und „idealerweise“ bis dahin auch den Kohleausstieg zu erreichen. Diese Vorsätze sind sehr zu begrüßen und durchaus ambitioniert, wenn man bedenkt, dass der Strombedarf noch stark wachsen wird. Diese Festlegung ist auch ein Erfolg für alle, die sich in den letzten Jahren auf vielen Demonstrationen und mit fantasievollen Aktionen für Klimarettung und Kohleausstieg engagiert haben. Unterstützen wir die Regierung bei diesen Zielen. Die Transformation im Verkehrssektor wurde dagegen vernachlässigt. Bei einem FDP-Minister sind kaum fortschrittlichere Maßnahmen zu erwarten. Der Kampf für das Klima wird sich daher in Zukunft stärker auf den Verkehrssektor verlagern müssen.
Die Mehrheit der Menschen in Deutschland befürwortet deutlich mehr Engagement beim Natur- und Klimaschutz. Sollen Windenergieanlagen jedoch vor ihrer Haustür gebaut werden, verringert sich leider häufig die Zustimmung und der Klimaschutz scheint nicht mehr ganz so wichtig zu sein. Vor über zehn Jahren sprachen sich auf einer Podiumsdiskussion von Querstellen-Friedberg führende Politiker der Region für einen Windpark auf dem Winterstein aus (vgl. Archiv Nov 2011), um ihn anschließend zehn Jahre lang trickreich mit Veränderungssperren und unzulässigen Bebauungsplänen zu verhindern. Dieser Stillstand wird hoffentlich bald beendet, denn Dürresommer, Feuersbrünste und Überschwemmungen führen auch bei einigen Lokalpolitiker:innen zu einem langsamen Umdenken. Der Bebauungsplan zum Winterstein wird still und leise beerdigt und eine Absichtserklärung zur Errichtung eines Windparks wird in den politischen Gremien der Anrainerkommunen diskutiert (vgl. Absichtserklärung Stadt Rosbach).
Wir werden sehen, ob die Einsicht in die Dringlichkeit der Energiewende und in die eigene Verantwortung für das Klima inzwischen herangereift ist, um endlich den Windpark in unserer Region – zum Nutzen des Klimas und der kommunalen Finanzen – auf den Weg zu bringen. Zehn Jahre wurden schon verschenkt, weitere zehn Jahre bleiben uns nicht. Die Natur kümmert es nicht, wie lange wir Menschen brauchen, um zur Einsicht zu kommen. Die Erde erhitzt sich weiter und der Wald auf dem Winterstein stirbt, während einige noch immer glauben, sie würden ihm durch das Verhindern von Windrädern helfen. Die Bundesregierung kann zwar Rahmenbedingungen für die Energiewende schaffen, umgesetzt werden muss sie jedoch in den Kommunen vor Ort.
Das Gelbe X von Querstellen wird also weiterhin gebraucht, auch und gerade weil aus den gelben Brettern des Widerstandes inzwischen erste Blätter der Hoffnung sprießen.