Ein Kommentar zu den Beschlüssen des Klimakabinetts vom 20. September 2019
Das Urteil gleich vorweg. Niemand hatte viel vom Klimakabinett erwartet, aber das jetzige Ergebnis bleibt noch weit darunter. Die Beschlüsse können nur als mutlos, unzureichend und völlig enttäuschend bezeichnet werden. So sind die Klimaziele bis 2030 nicht zu erreichen.
Während Millionen Menschen für das Klima auf die Straße gehen, FRIDAYS FOR FUTURE zu einer breiten Bürgerbewegung und für die Mehrheit der Bevölkerung der Klimaschutz zur vorrangigen Aufgabe wird, schafft es die Bundesregierung nicht, klare Schritte in Richtung Klimaschutz zu gehen. Bei der großen, ja existenziellen Herausforderung des Klimawandels darf sich Politik nicht auf „das was möglich ist“ (Merkel) reduzieren, sondern muss das Notwendige möglich machen! Hier hat das Klimakabinett leider kläglich versagt.
Bei großen Teilen der Bevölkerung verliert die Bundesregierung so den letzten Rest an Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Das beschlossene Minimalprogramm zerstört die Hoffnung vieler Menschen, die für den Klimaschutz kämpfen. Wir befinden uns an einem Wendpunkt der Gesellschaft. Unsere auf fossilen Brennstoffen basierende Zivilisation geht zu Ende, ob es uns passt oder nicht. Es ist unser elementares Interesse, dass wir versuchen, diese Veränderung „menschenverträglich“ zu lenken. Es zeigt sich in erschreckender Weise, dass unserer Regierung dazu die gestaltende Kraft fehlt. So gerät die parlamentarische Demokratie in Gefahr. Greta Thunberg spricht zu Recht von einer „Welle der Veränderung“. Wer jetzt nicht entschlossen handelt, wird von einer rebellierenden Jugend und einem wachsenden, friedlichen, gewaltfreien zivilem Ungehorsam hinweggespült. Wer die engagierte Jugend verliert, wer die Erkenntnisse der Wissenschaftler ignoriert, wer die Intelligenz eines Landes verprellt, wird sich nicht mehr lange behaupten können.
Auch wenn die Bundesregierung ihre Beschlüsse als ein „kraftvolles Paket“ (Scholz) anpreist, sieht die große Mehrheit der Kommentatoren, der Umweltschutzverbände und der Klimawissenschaftler darin eher ein klitzekleines „Päckchen“.
Die beschlossene CO2-Bepreisung, die ein wichtiges Steuerungselement sein sollte, fällt nach einhelliger Meinung viel zu niedrig aus. Mindestens 35 € wurden als Einstiegspreis für eine Tonne CO2 diskutiert, viele Experten fordern deutlich mehr. In Schweden beträgt die CO2-Steuer aktuell 115 €. Der jetzt beschlossene Einstiegspreis von 10 € pro Tonne CO2 ab 2021 ist ein lächerlich geringer Betrag, der sich lediglich mit etwa 3 Cent bei einem Liter Benzin auswirkt. Selbst 2025 soll der CO2-Preis noch bei 35 € liegen, was 12 Cent beim Liter Benzin entspricht. Das ist weniger als die ohnehin übliche Preisschwankung an der Zapfsäule, das hat keinen Lenkungseffekt. Wir werden es kaum bemerken und weiter Auto fahren wie bisher. Gleichzeitig soll die Pendlerpauschale zwischen 2021 und 2026 für Vielfahrer ab dem 21. Kilometer sogar von 30 auf 35 Cent erhöht werden, statt gezielt die zu belohnen, die auf klimaschonende Verkehrsmittel wie Bahn, Bus, E-Auto oder Fahrrad umsteigen.
Grundsätzlich richtig ist zwar die Absenkung der Mehrwertsteuer bei Bahnfahrten auf 7%, was aber nur bei Strecken über 50 km eine Veränderungen bedeutet, denn unter 50 km ist auch aktuell der Steuersatz bei 7%. Der Einspareffekt wird wieder rasch durch Preissteigerungen aufgehoben. Löblich ist auch, dass die Abgaben auf Flugtickets steigen sollen, wobei noch keine Höhe festgelegt wurde. Wie viele Cent dürfen es denn sein, damit niemand von einem Flug abgehalten wird und alles so bleiben kann wie bisher? Nur mit Sarkasmus sind solche Beschlüsse zu ertragen.
Subventionskürzungen bei der fossilen Wirtschaft wurden dagegen offenbar keine beschlossen. Stattdessen gibt es neue Subventionen, nein „Anreize“ durch Zuschüsse bei der Anschaffung von E-Autos oder beim Austausch von alten Ölheizungen, damit dann möglichst schnell noch eine Gasheizung eingebaut wird, die dann die nächsten 30 Jahre umweltschädliches Erdgas verbrennt.
Wohngeldbezieher und Hartz IV-Empfänger sollen höhere Heizkostenzuschüsse erhalten, um steigende Kosten abzufedern, was prinzipiell richtig ist, aber auch keine Verbesserung fürs Klima bringt.
Ach ja, nachdem man das EEG bereits soweit ruiniert hat, dass die Energiewende stagniert und kaum noch Windkraftanlagen entstehen, soll die EEG-Umlage jetzt „vorsichtig abgesenkt“ werden, was immer das bedeuten soll.
„Vorsicht“ scheint ohnehin ein Leitgedanke bei diesen Beschlüssen gewesen zu sein. Mit „Vorsicht“ ist allerdings keine Klimawende, keine Energiewende, keine Verkehrswende, keine Agrarwende zu erreichen. Diese vorsichtigen Maßnahmen werden wirkungslos verpuffen und die Erde wird sich bitter dafür rächen. Auch der Verweis auf die jährlichen „Nachjustierungen“ stimmt nicht sonderlich hoffnungsvoll. Das ist leider kein „Paradigmenwechsel“, von dem Bundeskanzlerin Merkel spricht, sondern doch nur Pillepalle.
Schüler*innen erhalten für so magere Arbeitsergebnisse die Note „ungenügend“ und im Zeugnis steht der Eintrag „nicht versetzt“. Daher unsere Bitte an alle Schüler*innen: Streikt weiter, bis die Bundesregierung ihre Hausaufgaben erledigt. Viele Menschen werden euch dabei unterstützen.