Ein Jahr nach der Atomkatastrophe in Fukushima, welche Auswirkungen hatte die Atomkatastrophe auf die Politik in Ihrer Kommune?
Zum Jahrestag der Atomkatastrophe in Fukushima hatte das Friedberger Aktionsbündnis gegen Atomkraft die Bürgermeister von zehn Wetterauer Kommunen befragt, welche Auswirkungen die Ereignisse in Fukushima auf die Politik in ihrer Kommune hatte. An der Umfrage haben sich die Bürgermeister der Städte Butzbach, Karben, Niddatal, Ober-Mörlen, Rosbach und Wölfersheim nicht beteiligt. Als Aktionsbündnis bedauern wir natürlich, dass die Bürgermeister dieser Kommunen ihre Bestrebungen nicht ausreichend transparent machen. „Dass sich die Gemeinde Wöllstadt hinsichtlich der Energieeinsparung und Förderung von erneuerbaren Energien gesetzeskonform verhält“, teilte uns der Wöllstädter Bürgermeister als alleinige Antwort auf unseren Fragenkatalog mit.
Die Städte Friedberg und Bad Nauheim haben uns dagegen umfangreiches Material zur Verfügung gestellt. In Friedberg regiert ein rot-grünes Bündnis, das im Koalitionsvertrag erklärtermaßen die Energiewende unterstützen möchte, und in Bad Nauheim regieren die Grünen in einer schwarz dominierten Koalition mit.
Bei der Frage nach den Auswirkungen auf die politische Diskussion und den daraus abgeleiteten politischen Zielen zeigt sich der Unterschied im konkreten Handeln beider Kommunen. Bürgermeister Häuser aus Bad Nauheim beschreibt hier, dass die Themen erneuerbare Energien und dezentrale Energieversorgung bereits vor der Atomkatastrophe in Fukushima aktuell waren. Seiner Ansicht nach sei es aber zu einer größeren Akzeptanz und höheren Sensibilität für diese Themen gekommen. Bürgermeister Keller verweist für Friedberg auf den im Internet einsehbaren Koalitionsvertrag, der unter anderem als Ziel eine Umstellung des städtischen Strombedarfs auf dezentrale, regenerative Energien bis 2016 vorsieht. Eine Übersicht der aus den Friedberger Gremien eingereichten Anträge und Berichte zeigt, dass eine öffentliche Diskussion gewünscht und gefördert wird. Unter anderem wurde der Magistrat beauftragt, ein Konzept zur Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen zu erstellen, in welchem zu jeder regenerativen Energiequelle alle erforderlichen Phasen von der Planung über die Finanzierung bis zum konkreten Betrieb berücksichtigt werden sollen. Das Bestreben, den Atomausstieg voranzutreiben und gleichzeitig die regionale Wirtschaft zu fördern, ist deutlich erkennbar.
In Bad Nauheim scheint die Diskussion noch nicht so weit fortgeschritten zu sein. Eine Beteiligung der Bürger an bereits installierten Anlagen bzw. zukünftigen Anlagen ist nach Aussage von Bürgermeister Häuser ausreichend gewährleistet durch die Stadtwerke, die zu 100% im Eigentum der Stadt sind. Friedberg geht hier weiter und möchte in seinem Konzept zur Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen auch die Möglichkeit einer direkten Kapitalbeteiligung der Bürger geklärt haben.
In beiden Städten wurde viel Geld in die energetische Sanierung städteeigener Gebäude gesteckt. Wie viele dieser Arbeiten auf laufende Renovierungsmaßnahmen (z.B. neue Heizung oder neue Fenster) entfällt und wie viele Maßnahmen ein wirklicher Schritt in eine andere Zukunft sind, ist oft schwer zu unterscheiden.
Bei den bereits installierten Photovoltaikanlagen hat Bad Nauheim eine Kapazität von 300 kWp erreicht, während es in Friedberg ungefähr 150 kWp sind (gemeindeeigene Gebäude und Gebäude der jeweiligen Wohnungsbaugesellschaften).
Bad Nauheim steht mit dem Regionalverband zu Fragen der Vorranggebiete zur Windenergienutzung noch in Verhandlung. Friedberg hat sich mit den Gemeinden Ober-Mörlen, Rosbach und Wehrheim zu einem Windparkprojekt am Winterstein zusammengeschlossen.
Trotz der zahlreichen Willenserklärungen und ersten Ansätze zur Förderung der Energiewende zeigt sich doch auch, dass im vergangenen Jahr noch wenig konkret umgesetzt wurde. Hier wird deutlich, wie mühevoll und langwierig der Realisierungsprozess sein wird und wie leicht er im Laufe der Zeit auch im Sande verlaufen kann. Beharrliche Arbeit und auch Druck von der Bevölkerung werden notwendig sein, um die Umsetzung von Beschlüssen, die im Laufe des letzten Jahres gefasst wurden, einzufordern.
Inge Faber und Sascha Jetzen